..kleines Cannabinoid ABC
Wie genau Pflanzen ihre heilenden Wirkungen entfalten, ist der Wissenschaft bis heute oft ein Rätsel. Es ist eine Symbiose aus verschiedenen Pflanzenteilen, die gemeinsam heilsam auf den menschlichen Organismus einwirken und zu bestimmten Effekten führen - ursprünglich dienten diese dem gesunden Wachstum, der Kommunikation, dem Schutz vor Parasiten, Schädlichen und Feinden der Pflanze.
Auch die Hanfpflanze enthält wie jede andere Pflanze hunderte von Pflanzenteilen. Bisher konnten in der Cannabispflanze über 500 Inhaltsstoffe nachgewiesen werden: Dazu zählen unter anderem Cannabinoide, Proteine, Aminosäuren, ätherische Öle (Terpene), Zucker, Alkohole, Flavonoide, Vitamine, Hydrocarbone, Aldehyde und Fettsäuren. Allein die Terpene machen bereits über 120 dieser Inhaltsstoffe aus. Die Zusammensetzung und welche Pflanzeninhaltsstoffe in einer Pflanze vorkommen, sind abhängig von der Gattung der Cannabispflanze (Indica/Sativa/Ruderalis).
Momentan liegt der Fokus für die medizinische Anwendung überwiegend auf den Cannabinoiden, wobei auch das Interesse an Terpenen zu therapeutischen Zwecken deutlich wächst.
Mit zunehmendem Interesse an der Wunderpflanze Cannabis wächst auch die Anzahl an extrahierten Cannabinoiden. Es wird bereits von mehreren hundert Cannabinoiden gesprochen: allein in den letzten Jahren wurden 21 neue Cannabinoid arten entdeckt, womit die Zahl auf 132 Stoffe steigt – und es ist noch kein Ende in Sicht.
Was sind Cannabinoide?
Cannabinoide sind eine komplexe Gruppe von Molekülen und unterscheiden sich in Phytocannabinoide (Cannabinoide, die in der Pflanze vorkommen) und Endogene Cannabinoide (natürliche, vom Körper produzierte Cannabinoide). Sie haben ähnliche Charaktereigenschaften, jedoch ist von kaum einem der erforschten Cannabinoide psychoaktiv, weshalb es nicht zu einem ‘high’ kommt.
Exogene cannabinoide (Phytocannabinoide)
Folgende Cannabinoide der Gruppe der exogenen Cannabinoiden (Phytocannabinoide) treten am häufigsten in der Cannabispflanze auf und reagieren mit unserem körpereigenen Endocannabinoid-System. Aufgrund der dort entstehenden Wirkung weisen diese Stoffe einen therapeutischen Nutzen auf.
- Delta-9-Tetrahydrocannabinol (Δ9- THC): ist eines der wenigen Cannabinoide, welches an CB2 und CB1 Rezeptoren bindet, weshalb es psychoaktiv wirkt - THC ist wegen seines “highs” wohl das bekannteste aller Cannabinoide; seine therapeutischen Effekte sind enorm, allerdings gibt es hierdurch auch hinlänglich bekannte Nebenwirkungen. THC wirkt schmerzlindernd, aufheiternd, muskelentspannend, appetitanregend und auch stark entzündungshemmend - es soll daher laut Forschungen auch 20 x wirksamer als Aspirin wirken 2. Zu den als negative empfundenen Effekten zählen: Sedierung, Schweregefühl, erhöhte Herzfrequenz, verlangsamte Zeitwahrnehmung, Mundtrockenheit, Gedächtnisstörungen, Paranoia… Dennoch könnte THC ein vielversprechendes Mittel zur Linderung von einer Reihe von Beschwerden sein, weshalb es zurzeit vielseitig erforscht wird. Zurzeit unterliegt THC aufgrund seines psychoaktiven Effekts noch dem BtMG, allerdings werden Legalisierung, sowie therapeutische Anwendung in einigen Ländern zunehmend thematisiert und auch umgesetzt. Auch in Deutschland ist die Legalisierung seitens der Politik im Gespräch.
- Delta-8-Tetrahydrocannabinol (Δ8-THC): ist eng verwandt mit dem psychoaktiv wirkenden Delta-9-THC und hat ähnliche Wirkungen, allerdings soll es 50 – 75% weniger potent sein. Hinzukommt, dass es für gewöhnlich nur in Bruchteilen unter 1% in der Cannabispflanze enthalten ist3. Delta-8-THC ist ein Abwandlungsprodukt aus dem Delta-9-Molekül und entsteht durch einen Alterungsprozess, weshalb es durch seine Stabilität sehr interessant für Pharmazie sein könnte. Delta8-THC wirkt appetitanregend, angstlösend, schmerzlindernd, hemmt Übelkeit und bekämpft das Altern von Nervenzellen. Aufgrund seiner gering psychotropen Wirkweise fällt es zurzeit ebenfalls unter das BtMG.
- Cannabidiol (CBD): - wirkt nicht psychoaktiv, bindet an CB2 Rezeptoren und soll sogar psychoaktive Effekte von THC ausbalancieren. Die Bandbreite an positiven Effekten ist enorm, weshalb es eins der zurzeit am meisten untersuchten Cannabinoiden ist. CBD wirkt unter anderem schmerzlindernd, stark antientzündlich, antidepressiv und wird häufig bei Epilepsie, Angststörungen, Schlafstörungen und Psychosen angewendet.
- Cannabigerol (CBG): - sozusagen das Mutter Cannabinoid– die Pflanze produziert zu Beginn Cannabigerolsäure (CBGA), die Vorstufe von THCA, CBDA und CBCA. Durch Licht und Wärme (Decarboxylierung) wandeln sich die Stoffe in THC, CBD oder CBC. Es wirkt entzündungshemmend, auch bei Darmkrankheiten, gegen Übelkeit und Erbrechen, schmerzlindernd, antibakteriell, krebshemmend und augeninnendrucksenkend. Auch ergeben neuste Untersuchungen, dass CBG erfolgreich gegen das Covid –19 Virus wirken kann. (Artikel Cannabis gegen Corona) Leider kommt CBG nur in ganz geringen Mengen in den konventionellen Cannabissorten vor (< 0,1%) - unser Sommerhanf hingegen weist fast bis zu 0,12% auf.
- Cannabichromen (CBC): - das am zweithäufigsten in der Pflanze vorkommende Cannabinoid und entsteht ebenfalls durch die Umwandlung von CBG. Es wirkt nicht psychoaktiv, da es nicht an den CB 1 Rezeptor andockt, sondern vielmehr an den Vanilloidrezeptor 1 (TRPV1) und das transiente Rezeptorpotential Ankyrin 1 (TRPA1), die mit der Schmerzwahrnehmung in Verbindung gebracht werden. Daher wirkt es stark schmerzlindernd, antibiotisch, entzündungshemmend, beruhigend, antidepressiv, ist gut für die Hirnzellen und auch ein wichtiges Cannabinoid in der Behandlung gegen Krebs. Forscher gehen davon aus, dass CBC am besten wirken kann, wenn es gemeinsam mit CBD und THC verwendet wird, zudem soll sich bei der Verwendung von CBC die Anzahl von natürlich vorkommenden Endocannabinoiden im Körper erhöhen.
- Cannabinol (CBN): - ein Oxidationsprodukt von THC und entsteht erst mit der Zeit. Wirkt antibiotisch, antibakteriell, anti epileptisch, beruhigend, leicht halluzinogen, kann den Augeninnendruck senken. Forschungen ergaben, dass seine stark beruhigende Wirkung der von pharmazeutischen Beruhigungsmitteln ähnelt und eine pflanzliche Alternative mit weitaus weniger Nebenwirkungen bieten könnte.
- Cannabidivarin (CBDV): ist ein weiteres nicht psychoaktives Cannabinoid und das Pendant zu CBD. CBDV hat viele Eigenschaften mit CBD gemein und wirkt antiepileptisch und krampflösend, weshalb derzeit die Verwendung als krampflösendes Mittel untersucht wird.
- 9-Tetrahydrocannabivarin (THCV): ähnelt stark der Strukturformel von THC und kann sich an CB1 und den CB2 Rezeptor binden, weshalb es in hohen Dosen eine ähnliche Wirkung wie THC aufweisen könnte, allerdings ist es in den meisten Cannabissorten nur in einer geringen Menge vorhanden. Studien zufolge wirkt es appetitzügelnd, positiv bei Stress und Erschöpfung, bei der Förderung des Knochenwachstums. Zudem wurde seine Anwendung auch in der Therapie bei Diabetes und als Antipsychotikum untersucht. THCV unterliegt derzeit noch nicht dem BtMG, allerdings befindet es sich mit der geringen psychoaktiven Wirkung in einer gesetzlichen Grauzone.
Cannabinoid-Säuren
Cannabinoid-Säuren werden oft als inaktive Cannabinoiden bezeichnet, da diese durch Reife oder durch Decarboxylierung umwandeln. Meist kommen sie in frischen Pflanzenteilen vor, weshalb sie oral vom Körper aufgenommen werden können. Bekannte Cannabinoid-Säuren sind CBDA, aus dem zuerst CBG, das sogenannte Mutter Cannabinoid, und dann wiederum andere Cannabinoid-Säuren wie THCA, CBDA, CBCA entstehen und somit die Vorboten der ‘aktiven’ Cannabinoide ausmachen. Cannabinoid-Säuren wirken nicht psychoaktiv.
Endogene Cannabinoide und das Endocannabinoid-System
Endocannabinoide, oder auch endogene Cannabinoide [endo = gr. ἔνδον (éndon) - im, innerhalb] werden vom Körper selbst produziert. Sie weisen ähnliche Merkmale auf wie die Phytocannabinoide, unterscheiden sich dennoch deutlich von ihnen. Endocannabinoide haben im Körper eine wichtige, unersetzbare Aufgabe und interagieren mit den Cannabinoid Rezeptoren im Körper, Gehirn und dem zentralen Nervensystem. Die bisher bekanntesten und am häufigsten im Körper nachgewiesenen Endocannabinoide sind Anandamid und 2-AG. Es gibt aber auch noch Noladinether, Virodhamine und N-Arachidonoyldopamin (NADA). Alle diese Endocannabinoide sind für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts im Körper verantwortlich.- 2-Arachidonoylglycerin (2-AG): Teil des Endocannabinoid-Systems und ist primärer Agonist an den CB2 Rezeptor. 2-AG gehört zu den Molekülen, die aus essentiellen Fettsäuren oxidieren und eine wichtige Rolle bei verschiedenen Körperfunktionen spielen. Unter anderem reguliert dieser Mechanismus Schlaf, Appetit und die Immunfunktion und kann neben dem Konsum von Cannabis auch durch die Ernährung, Probiotika und ausreichend Schlaf balanciert werden.
- N-Arachidonoylethanolamin (Anandamid): das endogene Gegenstück von THC und wird auch als Glückshormon bezeichnet. Anandamid wird in den Zellmembranen und Geweben produziert, die für Gedächtnis, die Bewegungssteuerung und fortgeschrittene Denkprozesse verantwortlich ist. Es bindet sich hauptsächlich an CB1-Rezeptoren, während es im peripheren Bereich an CB2-Rezeptoren bindet. Darüber hinaus spielt Anandamid eine wichtige Rolle bei vielen physiologischen Prozessen wie der Steuerung des Appetits, der Schmerzsteuerung sowie der Fruchtbarkeit.
All diese Endocannabinoide sind also für das Gleichgewicht im Körper verantwortlich und regulieren das Immunsystem, unser Schmerzempfinden, Ängste, den Appetit, sowie unsere Stimmungslage und Appetit. Sie unterstützen den Körper bei der Regeneration, Stoffwechselprozessen und der Fettverbrennung. Ist dieses Gleichgewicht außer Kontrolle, kommt es zu einem Endocannabinoid-Mangel, der sich durch Beschwerden von leichten Kopfschmerzen, bis zu schwerwiegenden Krankheiten äußern kann. Dieser Mangel kann durch die Medikation mit Phytocannabinoiden zurück ins Gleichgewicht (Homöostase) gebracht werden.
Wie wirken Cannabinoide im Körper?
Bei dem Konsum von Cannabis gelangen die Cannabinoide in das Endocannabinoid-System und binden an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2, die sich in unterschiedlichen Körperstellen befinden. Der CB1 Rezeptor, an den THC bindet, befindet sich hauptsächlich in den Nervenzellen im Gehirn, weshalb bei Aktivierung Schmerzhemmung, Entzugssymptome und Ängste gelindert werden und auch die psychotrope Wirkung auslöst. Die CB2 Rezeptoren befinden sich überall im Körper, weshalb die Bandbreite an positiven Effekten besonders hoch ist.
Das gesamte Zusammenspiel aus Rezeptoren und Cannabinoiden bezeichnet sich als Endocannabinoid-System und lässt sich als Schlüssel-Schloss-Prinzip verstehen, bei dem eine chemische Reaktion entsteht, sobald sich ein Cannabinoid an den Rezeptor bindet, ihn auflöst und zu einer Veränderung der Zellfunktionen führt. Diese Veränderungen machen sich im Körper als unterschiedliche Wirkungen bemerkbar.
.. mit Blick auf das Ganze
Bei näherer Betrachtung der Bestandteile, wird bewusst, dass die Cannabispflanze eine wahre Alleskönnerin ist, mit vielfältigen Wirkweisen und Einsatzgebieten, die den Körper dabei unterstützt, wieder voll ins Gleichgewicht und zu mehr Harmonie zu gelangen. Wichtig zu beachten ist allerdings, dass eine Extraktion der einzelnen Cannabinoide lediglich dabei hilft, die Wirkmechanismen und Prozesse zu erforschen und verstehen zu lernen – es ist das Zusammenspiel aller Pflanzenteile, dass Wunder schafft – denn genau wie jede Pflanze von Natur aus perfekt ausbalanciert ist, so kann sie auch in uns einen Zustand der Homöostase auslösen.
https://www.cannaable.de/cannabis-wissenschaft-freizeitdroge/#sdfootnote32sym
https://www.leafly.de/was-ist-thcv-und-welchen-medizinischen-nutzen-hat-dieses-cannabinoid/
Cannabinoide - Die vollständige Liste der Cannabinoide in Cannabis (formulaswiss.com)
https://www.cancer.gov/publications/dictionaries/cancer-drug/def/delta-8-tetrahydrocannabinol?redirect=true
https://de.formulaswiss.com/blogs/cbd/cannabinoide-in-cannabis#
Autorin: Julia
Hinterlassen Sie einen Kommentar
Bitte beachten Sie, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen